Grundlagen der Bilanzpolitik

Die Bilanzpolitik umfasst alle Maßnahmen, die der Bilanzierende innerhalb des Jahresabschlusses ergreift, um die Informationen über die Lage des Unternehmens so zu gestalten, dass bei den Empfängern bestimmte Reaktionen hervorgerufen bzw. vermieden werden.

Ziele:

  • Ergebnisbeeinflussung
  • Beeinflussung der Meinung externer Bilanzleser

Der Bilanzierende nutzt dabei:

  • Ausweis- und Erläuterungswahlrechte
  • Gliederungswahlrechte
  • Ansatz- und Bewertungswahlrechte
  • Ermessensspielräume und
  • Sachverhaltsgestaltungen

In diesen Spielräumen liegt eine Ursache von Finanzkrisen. Die Bewertungsmöglichkeiten sind vielfältig und können den Ernst der Lage so lange verschleiern, bis es zu spät ist. Beispiele gibt es genug:

  • US-Investmentbank Lehman Brothers (Repo-105-Transaktionen)
  • US-Energiekonzern Enron
  • Kamerahersteller Olympus
  • Die Bewertung von Staatspapieren in Banken-Bilanzen
  • Griechenland
  • Staatshaushalt der USA
  • Immobilienkrise in China

Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill)

Der Firmenwert ergibt sich als Differenz zwischen dem Gesamtunternehmenswert und der Summe der Zeitwerte aller Aktiva und Passiva.

Unterschieden wird zwischen dem originären und dem derivativen Geschäftswert. Der originäre Geschäftswert entsteht durch die erfolgreiche Tätigkeit der Unternehmung im Zeitablauf. Er wird also selbst geschaffen. Der derivative Geschäftswert entsteht durch Erwerb gegen Entgelt.

Wird bei einer Übernahme ein Aufschlag auf das Reinvermögen (Vermögen minus Schulden) gezahlt, ergibt sich für den Käufer ein derivativer Firmenwert.
Kaufpreis - Substanzwert = Firmenwert (Goodwill).
Der Substanzwert ergibt sich aus dem Zeitwert des Eigenkapitals und möglichen stillen Reserven.

Der Goodwill ist damit ein Scheck auf die Zukunft. Er entsteht immer dann, wenn bei der Übernahme eines Unternehmens der Kaufpreis über dem Buchwert des Nettovermögens liegt, das bei einem Kauf neu bewertet wird. Der Käufer hofft also darauf, dass die zukünftigen Gewinne der neuen Gesellschaft den Preisaufschlag rechtfertigen.

Deutsche Vorschriften zur Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts:

§ 7 Abs. 1 EStG:

Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträgen). Die Absetzung bemisst sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts. Als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts eines Gewerbebetriebs oder eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gilt ein Zeitraum von 15 Jahren. ....

§ 246 Abs. 1 HGB:

Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Vermögensgegenstände sind in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; ist ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. Schulden sind in die Bilanz des Schuldners aufzunehmen. Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand.

US-GAAP und IFRS

Das International Accounting Standards Board (IASB) hat mit der Verabschiedung von IFRS 3 die Behandlung des Goodwills neu geregelt. Das IASB orientiert sich an den 2001 veröffentlichten neuen Regeln von US GAAP. Der Goodwill muss danach nicht mehr systematisch abgeschrieben, sondern nur noch jährlich auf eine dauernde Wertminderung untersucht werden (Impairment-Test). Stellt sich dabei heraus, dass die Erwartung zu optimistisch war, muss im Rahmen des Impairmenttests abgeschrieben werden. Die finanzielle Verantwortung für die erfolgte Akquisition wird dabei verzögert.

In seiner November-Sitzung 2022 hat der International Accounting Standards Board (IASB) beschlossen, den Impairment-Only-Ansatz für die Bilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten beizubehalten.

Mit diesem schwammigen Vorgehen hat man eigentlich eine Hauptursache aller Krisen der jüngsten Vergangenheit. Viele Spekulanten, Firmen und Staaten haben den Goodwill aus spekulativen Gründen künstlich aufgebläht. In der Krise kann aber so manche Blase platzen und damit weitere Turbulenzen auslösen.

Damit tragen US-GAAP und IFRS eine Mitschuld an der Krise. Die seriöse Bewertung nach HGB hätte viele Blasen nicht entstehen lassen.

Die IASB ist eine privat organisierte Gruppe von "Rechnungslegungsexperten". Die IFRS sind damit keine vom Gesetzgeber erlassenen Regeln und noch mehr durch Lobbyismus entstanden als Gesetze.

Imparitätsprinzip und Fair-Value-Bewertung (üblicher Marktpreis)

Das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) sorgt für die ungleiche Behandlung unrealisierter Gewinne und Verluste.

Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind.

Der Gläubigerschutz ist damit das oberste Ziel. Es soll kein zu hoher Gewinn ausgewiesen und ausgeschüttet werden. Das Schuldendeckungspotential des Unternehmens soll hoch gehalten werden.

Mit dem Bilanzrechts-Modernisierungsgesetz (BilMoG) von 2009 wurde eine entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt und der § 253 HGB geändert. Damit gilt das Imparitätsprinzip nicht mehr uneingeschränkt. Mit der Einführung der Fair-Value-Bewertung in § 253 Abs. 1 HGB wurde das solide Imparitätsprinzip des HGB untergraben.
§ 253 Abs. 1 HGB:

Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Abschreibungen nach den Absätzen 3 bis 5, anzusetzen. Verbindlichkeiten sind zu ihrem Erfüllungsbetrag und Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen. Soweit sich die Höhe von Altersversorgungsverpflichtungen ausschließlich nach dem beizulegenden Zeitwert von Wertpapieren im Sinn des § 266 Abs. 2 A. III. 5 bestimmt, sind Rückstellungen hierfür zum beizulegenden Zeitwert dieser Wertpapiere anzusetzen, soweit er einen garantierten Mindestbetrag übersteigt. Nach § 246 Abs. 2 Satz 2 zu verrechnende Vermögensgegenstände sind mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) dürfen eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert nur vornehmen, wenn sie von keiner der in § 264 Absatz 1 Satz 5, § 266 Absatz 1 Satz 4, § 275 Absatz 5 und § 326 Absatz 2 vorgesehenen Erleichterungen Gebrauch machen. Macht eine Kleinstkapitalgesellschaft von mindestens einer der in Satz 5 genannten Erleichterungen Gebrauch, erfolgt die Bewertung der Vermögensgegenstände nach Satz 1, auch soweit eine Verrechnung nach § 246 Absatz 2 Satz 2 vorgesehen ist.

§ 246 Abs. 2 HGB:

Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite, Aufwendungen nicht mit Erträgen, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden. Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, sind mit diesen Schulden zu verrechnen; entsprechend ist mit den zugehörigen Aufwendungen und Erträgen aus der Abzinsung und aus dem zu verrechnenden Vermögen zu verfahren. Übersteigt der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände den Betrag der Schulden, ist der übersteigende Betrag unter einem gesonderten Posten zu aktivieren.

§ 255 Abs. 4 HGB:

Der beizulegende Zeitwert entspricht dem Marktpreis. Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen. Lässt sich der beizulegende Zeitwert weder nach Satz 1 noch nach Satz 2 ermitteln, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 253 Abs. 4 fortzuführen. Der zuletzt nach Satz 1 oder 2 ermittelte beizulegende Zeitwert gilt als Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinn des Satzes 3.

Die Fair-Value-Bewertung für Wertpapiere des Handelsbestands ist im HGB nur für Kreditinstitute vorgeschrieben (§ 340e Abs. 3 HGB).

Das deutsche Bilanzrecht beruht auf dem Gläubigerschutz, Fair Value dagegen diene nur der Gläubigerinformation. Die Fair-Value-Bewertung hat die Krisen der jüngsten Vergangenheit beschleunigt und intensiviert (Brandbeschleuniger in der Krise). Fair Value ist eine konjunkturabhängige Bewertungsidee. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich für über 90 Prozent aller Vermögenswerte kein objektiver Marktwert ermitteln lässt. Die Wertermittlung ist damit Spekulation und beruht in hohem Umfang auf Schätzungen des Managements. Der Glaube an die konzeptionelle Überlegenheit des Fair Values ist durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gebrochen.
Einen objektiven Unternehmenswert gibt es in der Praxis nicht.

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