Die Inventur

Grundsätzliches

Nach § 240 HGB hat jeder Kaufmann ein Inventar aufzustellen. Der § 141 AO verpflichtet auch bei Überschreiten bestimmter Grenzen zur Aufstellung. Damit muss jeder Buchführungspflichtige ein Inventar aufstellen. Die dazu notwendige Tätigkeit nennt man Inventur.

Durch die Inventur werden die Vermögenswerte (Anlage- und Umlaufvermögen) und die Schulden eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag ermittelt und schriftlich festgehalten.

Der Begriff Inventur kommt vom lateinischen invenire (etwas vorfinden, entdecken, erfahren).

Die bei der Inventur ermittelten Werte sind zwingend richtig. Bei einer Differenz zu den Buchwerten gelten stets die Ergebnisse der Inventur.

R 5.3 Abs. 4 Einkommensteuer-Richtlinien:

Fehlt eine körperliche Bestandsaufnahme, oder enthält das Inventar in formeller oder materieller Hinsicht nicht nur unwesentliche Mängel, ist die Buchführung nicht als ordnungsmäßig anzusehen.

Inventuranlässe

Eine Inventur ist durchzuführen

  • bei Gründung oder Übernahme eines Unternehmens,
  • am Schluss eines jeden Geschäftsjahres
    • in der Regel der 31.12.
    • nach HGB darf die Dauer des Geschäftsjahrs zwölf Monate nicht überschreiten
    • bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr ist die Inventur also an dessen Ende durchzuführen
    • bei einem Geschäftsjahr von September bis August wäre das der 31.08
    und
  • bei der Auflösung oder Veräußerung des Unternehmens.

Inventurarten

Nach der Art der Durchführung der Inventur unterscheidet man die

  • körperliche Inventur und
  • die Buchinventur.
körperliche Inventur Buchinventur
Mengenmäßige Aufnahme aller körperlichen Vermögensgegenstände. Betrifft die nicht körperlichen Vermögensteile und die Schulden.
Betrifft das materielle Anlagevermögen (z.B. Immobilien, Maschinen, Fahrzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung), Vorräte, Wertpapiere in Eigenverwaltung sowie Bargeld, Besitzwechsel und Schecks. Betrifft die Forderungen, Verbindlichkeiten, Wertpapiere in Depotverwaltung, Finanzanlagen, Patente, Lizenzen und Bankguthaben.
Mengen- und wertmäßige Bestandsaufnahme. Nur wertmäßige Bestandsaufnahme.
Geschieht durch Zählen, Messen und Wiegen.
Eine Schätzung mit anschließender Bewertung ist ebenfalls möglich, wenn eine exakte Aufnahme wirtschaftlich unzumutbar oder unmöglich ist (Kleinteile wie Schrauben und Nägel oder Schüttgüter wie Sand und Kohle).
Anhand folgender Aufzeichnungen und Belege:
Auszüge aus dem Grundbuch, Hypotheken- und Grundschuldbriefe, Depotbestätigungen, Vertragsunterlagen, Kontoauszüge von Kreditinstituten, Schuldwechselbuch.
Forderungen und Verbindlichkeiten werden in Saldenlisten erfasst (besser ist es zusätzlich Saldenbestätigungen einzuholen).

Dem steuerlichen Begriff des Wirtschaftsgutes entsprechen im Handelsrecht die Begriffe Vermögensgegenstand und Schulden.

Der § 241 Abs. 1 HGB sagt zum Umfang der Inventur:

Bei der Aufstellung des Inventars darf der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden. Das Verfahren muß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Der Aussagewert des auf diese Weise aufgestellten Inventars muß dem Aussagewert eines auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme aufgestellten Inventars gleichkommen.

Damit unterscheidet man

  • Vollinventur
  • Stichprobeninventur

Der § 241 Abs. 2 HGB legt fest:

Bei der Aufstellung des Inventars für den Schluß eines Geschäftsjahrs bedarf es einer körperlichen Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt nicht, soweit durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden anderen Verfahrens gesichert ist, daß der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch ohne die körperliche Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festgestellt werden kann.

Dazu erfolgt eine Präzisierung in den Einkommensteuerrichtlinien für die Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens (R 5.4 Bestandsmäßige Erfassung des beweglichen Anlagevermögens).
Der Absatz 4 verlangt keine Inventur bei fortlaufendem Bestandsverzeichnis. Das Bestandsverzeichnis kann auch in der Form einer Anlagekartei geführt werden.

Inventurzeitpunkt

Die Inventur ist eigentlich am Bilanzstichtag durchzuführen.

Der § 241 HGB und R 5.3 Abs. 3 Einkommensteuer-Richtlinien lassen aber folgende Inventurvereinfachungsverfahren zu:

Zeitnahe Stichtagsinventur Verlegte Inventur (Zeitverschobene Inventur) Permanente Inventur
Innerhalb einer Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag. Innerhalb der letzten drei Monate vor dem Bilanzstichtag oder der ersten zwei Monate nach dem Bilanzstichtag. Buchmäßige Erfassung der Veränderungen der Bestände aller Artikel. In jedem Geschäftsjahr muss mindestens einmal durch körperliche Bestandsaufnahmen geprüft werden, ob der Buchbestand mit den tatsächlichen Beständen übereinstimmt (Jeder Gegenstand zu einem beliebigen Zeitraum innerhalb eines Jahres).
Der am Tag der Inventur ermittelte Bestand muss mengen- und wertmäßig auf den Stichtag fortgeschrieben oder zurückgerechnet werden. Der am Tag der Inventur ermittelte Bestand muss nur wertmäßig auf den Stichtag fortgeschrieben oder zurückgerechnet werden. Wird bei der körperlichen Bestandsaufnahme eine Differenz festgestellt, ist der Bestand zu berichtigen.
Der Bestand wird dann aus den Büchern entnommen.

R 5.3 Abs. 3 Einkommensteuer-Richtlinien:

Nichtanwendbarkeit der permanenten und der zeitverschobenen Inventur
(3) Eine permanente oder eine zeitverschobene Inventur ist nicht zulässig
  1. für Bestände, bei denen durch Schwund, Verdunsten, Verderb, leichte Zerbrechlichkeit oder ähnliche Vorgänge ins Gewicht fallende unkontrollierbare Abgänge eintreten, es sei denn, dass diese Abgänge auf Grund von Erfahrungssätzen schätzungsweise annähernd zutreffend berücksichtigt werden können;
  2. für Wirtschaftsgüter, die - abgestellt auf die Verhältnisse des jeweiligen Betriebs - besonders wertvoll sind.

Wenn der Stichtag der 31.12. ist, kann man sich den Sachverhalt grafisch so darstellen:

Zeitnahe Stichtagsinventur

Zeitnahe Stichtagsinventur

 
R 5.3 Abs. 1 Einkommensteuer-Richtlinien:

Inventur
(1) Die Inventur für den Bilanzstichtag braucht nicht am Bilanzstichtag vorgenommen zu werden. Sie muss aber zeitnah - in der Regel innerhalb einer Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag - durchgeführt werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bestandsveränderungen zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bestandsaufnahme anhand von Belegen oder Aufzeichnungen ordnungsgemäß berücksichtigt werden. Können die Bestände aus besonderen, insbesondere klimatischen Gründen nicht zeitnah, sondern erst in einem größeren Zeitabstand vom Bilanzstichtag aufgenommen werden, sind an die Belege und Aufzeichnungen über die zwischenzeitlichen Bestandsveränderungen strenge Anforderungen zu stellen.

Verlegte Inventur (Zeitverschobene Inventur)

Verlegte Inventur

 
R 5.3 Abs. 2 Einkommensteuer-Richtlinien:

Zeitverschobene Inventur
(2) Nach § 241 Abs. 3 HGB kann die jährliche körperliche Bestandsaufnahme ganz oder teilweise innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten zwei Monate nach dem Bilanzstichtag durchgeführt werden. Der dabei festgestellte Bestand ist nach Art und Menge in einem besonderen Inventar zu verzeichnen, das auch auf Grund einer permanenten Inventur erstellt werden kann. Der in dem besonderen Inventar erfasste Bestand ist auf den Tag der Bestandsaufnahme (Inventurstichtag) nach allgemeinen Grundsätzen zu bewerten. Der sich danach ergebende Gesamtwert des Bestands ist dann wertmäßig auf den Bilanzstichtag fortzuschreiben oder zurückzurechnen. Der Bestand braucht in diesem Fall auf den Bilanzstichtag nicht nach Art und Menge festgestellt zu werden; es genügt die Feststellung des Gesamtwerts des Bestands auf den Bilanzstichtag. Die Bestandsveränderungen zwischen dem Inventurstichtag und dem Bilanzstichtag brauchen ebenfalls nicht nach Art und Menge aufgezeichnet zu werden. Sie müssen nur wertmäßig erfasst werden. Das Verfahren zur wertmäßigen Fortschreibung oder Rückrechnung des Gesamtwerts des Bestands am Inventurstichtag auf den Bilanzstichtag muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Die Fortschreibung des Warenbestands kann dabei nach der folgenden Formel vorgenommen werden, wenn die Zusammensetzung des Warenbestands am Bilanzstichtag von der des Warenbestands am Inventurstichtag nicht wesentlich abweicht: Wert des Warenbestands am Bilanzstichtag = Wert des Warenbestands am Inventurstichtag zuzüglich Wareneingang abzüglich Wareneinsatz (Umsatz abzüglich des durchschnittlichen Rohgewinns). Voraussetzung für die Inanspruchnahme von steuerlichen Vergünstigungen, für die es auf die Zusammensetzung der Bestände am Bilanzstichtag ankommt, wie z. B. bei der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG, ist jedoch, dass die tatsächlichen Bestände dieser Wirtschaftsgüter am Bilanzstichtag durch körperliche Bestandsaufnahme oder durch permanente Inventur nachgewiesen werden.

Permanente Inventur

Permanente Inventur

 
Die Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden wird im Kapitel Jahresabschluss behandelt.

Die mit Hilfe der Inventur ermittelten Bestände werden im Inventar (Bestandsverzeichnis) zusammengefasst.


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